Heute morgen in Dresden, etwas vor 10 Uhr. Ich bin auf der Suche nach dem Eingang zur Firma "plug&work GmbH". Dort habe ich ein Vorstellungsgespräch als "Außendienstmitarbeiter". So steht es zumindest in der Anzeige die mir das Arbeitsamt äh die Bundesagentur für Arbeit, zukommen ließ. Das heißt für mich, dass ich verpflichtet bin mich auf diese Stelle zu bewerben sonst drohen Sperrfristen usw. Also habe ich am Montag dort angerufen und wie eben erwähnt heute ein Vorstellungsgespräch gehabt.
Ich sollte vorher erwähnen das ich mir schon denken konnte was mich erwartet. Alles was ich wusste, war das es sich um irgendetwas mit dem bekannten Internetvertreiber "Alice" handelt. Nachdem ich nun also den Eingang endlich gefunden hatte kam ich in ein Foyer, dass einen Tresen nebst Empfangsdame und zwei graue Stühle bot. Nachdem ich mich bei der Empfangsdame gemeldet hatte sollte ich Platz nehmen und einen Zettel ausfüllen. Auf diesem Zettel wurden dann so Daten wie Wunschgehalt, Adresse, Name usw. abgefragt. Dann hieß es ca. 10 Minuten warten. An der Wand hingen drei Uhren wo eine die Zeit von New York, die nächste die Dresdner Zeit und die dritte die von Tokyo aufwiesen. Es sah also alles in allem zwar recht seriös aus aber mir etwas zu seriös, wenn ihr versteht was ich meine. Meine Skepsis blieb also bzw. verstärkte sich. Dann wurde ich von einem Herren, etwa mitte 40 in einem viel zu engen Anzug, in einen von schätzungsweise 15 Räumen geführt. Der Kollege schmunzelte etwas über meine Gehaltsvorstellungen und meinte: "Ihr im Osten seid immer so bescheiden...". Dabei fand ich, dass ich mit 1200€ brutto eigentlich einen guten und realistischen Schnitt hatte. Gut wie dem auch sei kam er direkt zur Sache und fragte mich ob ich wüsste worum es sich handelt. Als ich mitteilte das ich bisher recht wenig Informationen bekommen hätte, fing er auch schon Sätze abzuspulen die so klangen als wenn er diese schon Monatelang einstudiert und abgerufen hätte. Ein echter Roboter eben. Er erklärte mir das er die beste Vertriebsfirma für die Produkte von "Alice" vertritt und man bei ihm mindestens 1500 € brutto verdient plus Provision. Klingt ja im ersten Augenblick nicht schlecht und so manch verzweifelter Arbeitsloser bzw. leicht zu beeinflussender junger Mensch, würde alles weitere jetzt schon nicht mehr mitbekommen. Denn wen reizen 1500€ brutto als Grundgehalt denn nicht. OK, vielleicht den Herrn Zumwinkel und seine Freunde nicht.
Aber weiter in der Geschichte. Da ich von Anfang an skeptisch war, fragte ich jetzt was denn dafür zu tun sei. Und nun kam es, Zitat: "Sie müssen lediglich Alice DSL Verträge abschließen und zwar nur mindestens 2 pro Tag bzw. minimum 40 im Monat. Und Alice ist ja das beste was es gibt, keine Vetragslaufzeit, DSL 16000 und das für nur knapp 25€ im Monat. Und das ist doch locker zu schaffen pro Tag nur 2 Verträge. Und wenn Sie mehr als diese 40 Verträge pro Monat schaffen verdienen Sie an jedem weiteren eine menge Geld. Trauen Sie sich das zu?" Daraufhin erwiderte ich: "Zutrauen schon, nur was passiert wenn ich weniger als diese 40 Veträge im Monat abschließe?" "Ach das schaffen Sie schon aber ich will ehrlich sein", entgegnete er, "wenn Sie weniger schaffen sehe ich mir das den ersten Monat noch gelassen an aber ab dem zweiten Monat wird es natürlich kritisch. Aber wie gesagt, ich zum Beispiel habe jetzt 4 Verträge täglich und somit können Sie sich ja jetzt ausrechnen was ich verdiene." Ja na klar, du sitzt hier den ganzen Tag auf deinem Hintern und nebenbei drehst du den Leuten noch Alice Verträge an. "Bei welchem Anbieter sind Sie denn zum Beispiel?", fragte er mich jetzt. Ich erwiderte: "Bei Versatel". "Sehen Sie, da haben Sie auch eine Vertragslaufzeit, alles das gibt es bei Alice nämlich nicht." Da ich ja nicht doof bin und mich vorher informiert habe bzw. ja selber in den letzten Tagen auf Anbietersuche war, wusste ich das Alice natürlich keine Vertragslaufzeit hat und es natürlich dort DSL 16000 gibt. Was ich aber ebenfalls wusste ist, dass wenn die Leitung kein 16000er hergibt man dennoch den vollen Preis bezahlt da es kein anderes Paket gibt. Ebenfalls wusste ich, dass die Alice Box nicht für WLAN ausgelegt ist und man sich für teuer Geld ein extra WLAN Router zulegen müsste. Und selbst bei dem war dann noch irgendwie ein Haken, genaues hab ich nicht behalten können. Jedenfalls konfrontierte ich ihn jetzt damit und das ja wie gesagt die meisten eine Vertragslaufzeit haben und somit aus ihren Veträgen ja gar nicht so einfach raus könnten. Und wie sollte es anders sein, hatte er auch dafür wieder einen schlauen Spruch parat: "Aber es gibt doch noch genug Leute ohne DSL Anschluss und wie gesagt ohne Vetragslaufzeit. Wenn Sie sich z.B. mal ein kleines Geschäft vorstellen das bei der Telekom einen Vetrag hat, und jetzt geht er pleite oder so. Dann muss der weiterzahlen bis zum Ende des Vetrages. Bei uns kann er immer am Monatsende sagen, ich will nicht mehr." Nun soweit ich weiß, muss jemand der mit seinem Geschäft insolvent ist, sowieso noch andere Rechnungen bezahlen die etwas größer als die Internetkosten sein dürften. Und wenn es zu wenig Masse für das Insolvenzverfahren gibt, dann bleiben die Gläubiger eh auf ihren Forderungen sitzen. Naja wie dem auch sei. Jetzt kam der Kollege von der Firma "plug&work GmbH" mit etwas anderem. "Ich biete Ihnen mal einen Schnupperkurs an. Dort können Sie mal reinschauen wie das so funktioniert und mal etwas Erfahrung sammeln. Sie sagen einfach nur bescheid, wann Sie können und dan organisiere ich das für Sie. Wie wäre das?" Aha er organisiert das für mich und schließt nebenbei noch 4 weitere Alice Veträge ab. "Ja klar da ich aber noch Zivi bin weiß ich noch nicht wann ich das machen könnte, zumal ich extra Urlaub dafür nehmen müsste", sagte ich darauf. "Kein Problem, Sie rufen mich einfach an und sagen wenn Sie mal können und dann geht das klar." "Ok dann machen wir das so", erwiderte ich.
Dann war das Vorstellungsgespräch vorbei und ich war froh das ich verschwinden konnte.
Bisher war ich von solchen Stellenangeboten ja verschont geblieben aber so war es mal interessant zu erleben wie die Herren konsequent versuchen das ganze negative an der Sache zu vertuschen. Denn sicher, wenn man täglich 2 Veträge abschließt kommt man bestimmt auf gutes Geld im Monat. Aber wenn man einen Tag nichts abschließt muss man am nächsten Tag schon 4 Verträge abschließen usw usw. Und das das durchaus so passieren kann lässt sich relativ leicht nachvollziehen. Dresden hat etwas mehr als 500.000 Einwohner. Davon sind vielleicht mehr als 350.000 dazu berechtigt einen DSL Vetrag abzuschließen. Von diesen 350.000 Leuten haben vielleicht 25.000 kein DSL anliegen. Von den anderen 325.000 Leuten sind bestimmt die Hälfte mit einem aktuellen Vetrag ausgestattet. Damit bleiben etwa 162.500 Leute die theoretisch mit Alice Veträgen ausgestattet werden könnten. Davon fallen aber wieder eine Menge Leute weg die entweder Rentner sind und somit nichts mit DSL anfangen können oder wollen, Jugendliche die zwar alt genug sind aber noch zu Hause wohnen und versorgt sind usw usw. Damit bleiben schätzungsweise 50.000 Anschlüsse die versorgt werden könnten. Wenn die Firma "plug&work GmbH" jeden Tag 5 Leute einstellt die das mitmachen wird es eng mit jeden Tag 2 Veträge abschließen. Selbst wenn jeden Monat Leute wegfallen wird es eng. Sicher diese Zahlen sind eine reine Milchmädchenrechnung und sicher so nicht Statistisch belegbar. Aber fakt ist, dass nun mal nicht die Masse seinen Anbieter wechsel wie das T-Shit das er trägt. Und somit bist du quasi fast gezwungen Leuten die sich das nicht leisten können oder Rentnern die keine Ahnung haben was sie unterschreiben, solche Veträge aufzuschwatzen. Und dafür bin ich nicht abgebrüht genug, dafür besitze ich eine zu gute Moral. Was bleibt ist die Erfahrung das man bei sowas grundsätzlich skeptisch bleiben sollte und sich nichtt von irgendwelchen Zahlen beeinflussen lassen darf. Diesen Schnuppertag werde ich nicht mitmachen, da mir mein Urlaub dafür zu schade ist. Wer meint so etwas ist das richtige für ihn, der soll glücklich werden damit. Ich für meinen Teil bin froh so etwas nicht machen zu müssen, egal wie viel Euro man theoretisch verdienen kann.
(Quelle: Gedächtnisprotokoll)
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